1900 - 1999
Kultur- und Verbandsarbeit
1999 nimmt die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial Versicherung, gegründet im Dezember 1996, ihre Arbeit auf. Sie widmet sich der Förderung der Kultur und der Wissenschaft, aber auch dem Brauchtum und der Heimatpflege in Westfalen. Als Kapitalanlage verfügt die Stiftung über 10 Millionen DM und stellt jährlich zwischen 500.000 und 700.000 DM aus Zinserträgen für Förderprojekte zur Verfügung. Im Oktober übernimmt der Vorstandsvorsitzende der Provinzial, Dr. Heiko Winkler, den Vorsitz des Verbandes öffentlicher Versicherer (VöV), dem insgesamt 40 regional tätige öffentliche Versicherer angehören und der die zweitstärkste Versicherungsgruppe in Deutschland darstellt.
Die Provinzial wird 275
1997 wird das Unternehmen 275 Jahre alt. Für die Westfälische Provinzial Versicherung arbeiten mittlerweile über 2.000 Innendienstmitarbeiter. Gleichzeitig sind 675 hauptberufliche Geschäftsstellenleiter für die Provinzial tätig, die ihrerseits rund 1.200 Mitarbeiter beschäftigen. Die Beitragseinnahmen haben sich innerhalb von fünf Jahren um fast eine Milliarde DM auf 3,5 Mrd. DM erhöht. Zum „Geburtstag“ der Provinzial lässt sich die Stadt etwas Besonderes einfallen: Die Zufahrtstraße, seit 1972 unter Bröderichweg 58 geführt, wird in Provinzial-Allee umgetauft.
Immer da, immer nah
1995 wird Dr. Heiko Winkler neuer Vorstandsvorsitzender der Westfälischen Provinzial. Er treibt die Entwicklung einer neuen Organisationsstruktur voran, mit der Innovationen, Effizienz und Kundennähe gesteigert werden. Dies verdeutlicht auch das neue Motiv des „Schutzengels“ und der neue Slogan „Immer da, immer nah“, der zur gelebten Realität wird: Seit Mitte der neunziger Jahre können 95 Prozent der Westfalen in weniger als zehn Minuten eine Provinzial-Geschäftsstelle in ihrer Nähe erreichen.
Neubau und Modernisierung
1994 wird das Erweiterungsgebäude der Westfälischen Provinzial mit Raum für 900 Arbeitsplätze nach dreieinhalbjähriger Bauzeit eingeweiht. Das Gebäude spiegelt die Landschaft wider, der es bewusst angepasst wurde. Zwei große, neu angelegte Naturteiche versetzen das Gebäude ins Grüne. Eine dreigeschossige Tiefgarage mit 850 Stellplätzen verlagert einen Großteil der parkenden PKW unter die Erdoberfläche. Dem Umzug in das neue Gebäude folgt bis 1997 die Modernisierung des alten Gebäudes.
Mauerfall und deutsche Einheit
Die politischen Veränderungen in Deutschland 1990 wirken sich auch auf das Versicherungsgeschäft aus. Die Westfälische Provinzial unterstützt die öffentlich-rechtlichen Versicherer und die Sparkassenorganisation beim Aufbau öffentlicher Schaden- und Lebensversicherungen für die neuen Bundesländer.
Die Provinzial darf ihr Geschäftsgebiet bis Ende 1992 auf die Gebiete der ehemaligen DDR ausdehnen und über DDR-Sparkassenniederlassungen in Neubrandenburg/Müritz und Frankfurt/Oder sowie im Bezirk Cottbus über die Sparkassen Herzberg und Calau Versicherungen verkaufen. Sie übergibt nach Ablauf der Übergangsphase die neu abgeschlossenen Verträge an die zuständigen öffentlichen Versicherer in Kiel und Berlin.
Kranken- und Rechtsschutzversicherung auf dem Vormarsch
Nachdem die öffentlichen Versicherer 1979 gemeinsam die Union Krankenversicherung AG (UKV) gegründet haben, wird die Westfälische Provinzial 1984 als Vermittler für die UKV in Westfalen tätig. Auch in der Rechtsschutzversicherung wird die Provinzial für ein Gemeinschaftsunternehmen der öffentlichen Versicherer tätig, die ÖRAG-Rechtsschutzversicherung AG.
Neue Kooperationen
Die Westfälische Provinzial-Lebensversicherungsanstalt und die Lippische Landes-Brandversicherungsanstalt schließen 1980 einen Vertrag über den Verkauf von Lebensversicherungen der Westfälischen Provinzial durch die „Lippische“, die fortan als eine Art Landesdirektion der Lebensversicherungsanstalt in Münster fungiert. Damit wird eine seit 1916 geltende Regelung vertraglich fixiert.
1987 gedenkt die Lippische Landes-Brandversicherungsanstalt zunächst, für seine 350.000 Einwohner eine eigene Lebensversicherung zu gründen. In Hinblick auf die bestehenden Verträge mit der Westfälischen Provinzial einigt man sich jedoch 1989 auf einen Kooperationsvertrag. Das Lebensversicherungsgeschäft in Lippe übernimmt weiterhin die Westfälische Provinzial. Sie verzichtet im Gegenzug auf einen eigenen Außendienst in Lippe und unterstützt die „Lippische“ in ihrer Rolle als Vermittler.
Erfolg braucht Platz
Das Verwaltungsgebäude der Westfälischen Provinzial wird 1980 bereits sechs Jahre nach dem Einzug aufgrund von Platzmangel erweitert. Der linke Vorderflügel erhält eine vierte Etage und die rückwärtige Seite wird verlängert. Zudem wird flächendeckend die elektronische Datenverarbeitung eingeführt.
Umzug in die Moderne
Die Westfälische Provinzial zieht 1974 in ein neues, modernes Verwaltungsgebäude nach Münster-Kinderhaus um. Der Verwaltungsrat hatte bereits 1969 festgestellt, dass ein effizient und kostengünstig arbeitender Versicherungsbetrieb im alten Gebäude an der Warendorfer Straße nicht mehr möglich war. Im Frühjahr 1972 wird mit den Bauarbeiten am Bröderichweg begonnen.
Die Versicherung der Sparkassen
1970 vereinbaren die Sparkassenorganisation, die aus den rheinischen und westfälischen Landesbanken neu entstandene WestLB und die Westfälische Provinzial Versicherung in einem Mantelvertrag eine enge partnerschaftliche Zusammenarbeit. Mit der Fusion der Landesbanken werden auch die beiden Bausparkassen für Westfalen und das Rheinland zur „Landes-Bausparkasse“ (LBS) zusammengelegt. Die Westfälische Provinzial firmiert seither als „Versicherung der Sparkassen“. Die HUK-Sparten werden von der Lebensversicherungsanstalt auf die Feuer-Sozietät übertragen.
1971 erhält die Westfälische Provinzial einen neuen Schriftzug, der die fortschreitende Modernisierung aller Lebensbereiche widerspiegelt.
Neue Wege gehen
Die Versicherungswirtschaft bleibt 1968 vom allgemeinen Wertewandel in der Deutschland nicht unberührt. Als eine der ersten öffentlichen Gesellschaften geht die Westfälische Provinzial ganz neue Wege. Es beginnen Umbau und Neubau des gesamten Unternehmens
Europa kommt sich näher
Als grenzübergreifender wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Kommunalverband wird 1958 die „Euregio“ ins Leben gerufen. Ihr gehören rund 130 Städte, Gemeinden und Kreise aus dem Münsterland, dem südwestlichen Niedersachsen und den östlichen Niederlanden an. Sie ist die erste der so genannten „Europaregionen“ und dient der länderübergreifenden Zusammenarbeit der Gemeinden zwischen Rhein, Ems, Ijssel und Vechte. Die Region Westfalen ist heute mit den Kreisen Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf sowie der Stadt Münster vertreten.
Neues Wachstum
Die Währungsreform bringt 1948 neues Geld und neue Hoffnung. Das beschädigte Hauptgebäude an der Warendorfer Straße wird teilweise erneuert und 1951 wieder bezogen. In den nun folgenden „Wirtschaftswunderjahren“ verzeichnet die Westfälische Provinzial ein stetiges Wachstum in ihren vier Hauptsparten Gebäude-Feuer-, Sturm-, Mobiliar-Feuer- und Leitungswasserversicherung. Zahlreiche neue Versicherungssparten werden etabliert.
"Operation Marriage"
Unter dem Codewort „Operation Marriage“ wird 1946 unter Führung der britischen Militärverwaltung das Land Nordrhein-Westfalen gegründet, welches das nördliche Rheinland, Westfalen und Lippe umfasst. Ministerpräsident Rudolf Amelunxen sieht sich mit dem umfassenden Neuaufbau von Industrie und Infrastruktur konfrontiert.
Die Provinzial in Nieheim
1939 bricht der zweite Weltkrieg aus. Nach Bombeneinschlägen in den Gebäuden der Feuer-Sozietät und der Lebensversicherungsanstalt an der Warendorfer Straße verlegt die Westfälische Provinzial-Feuer-Sozietät 1943 den Geschäftsbetrieb in eine provisorische Zentrale nach Nieheim im Kreis Höxter, wo die Verwaltung im Hotel Roselieb untergebracht wird.
Die Mitarbeiter wohnen im Hotel Roselieb, beim ansässigen Uhrmacher sowie bei anderen Nieheimern. Versorgt werden die Mitarbeiter von drei Nonnen aus Münster, die ebenfalls evakuiert worden waren. Im November 1944 wird der damalige Geschäftsführer der Feuer-Sozietät, Dr. Bernhard Odenbreit, bei einem Bombenangriff auf das Dorf getötet.
Die KFZ-Versicherung
1937 nimmt die Provinzial-Lebensversicherungsanstalt die Kfz-Versicherung als eigenständigen Versicherungszweig in ihr Angebot auf und ergänzt diese 1940 um eine Kfz-Kaskoversicherung. Seit 1939 besteht eine Versicherungspflicht für alle Kfz-Halter.
Die Inflation
Das Versicherungsgeschäft versinkt ab 1921 im Strudel der Inflation. Die Kosten überholen die Beitragseinnahmen um ein Vielfaches und die Westfälische Provinzial-Feuer-Sozietät kann keine Sicherheit mehr verkaufen. Erst mit der Währungsstabilisierung 1923 wird das Versicherungsgeschäft langsam wieder möglich.
Gründung der Lebensversicherungsanstalt in unruhigen Zeiten
Die Vollversammlung des Provinziallandtags beschließt am 14. März 1914 die Gründung einer Provinzial-Lebensversicherungsanstalt von Westfalen, die mit Jahresbeginn 1915 ihre Tätigkeit aufnimmt. Neben Lebenpolicen vertreibt die neue Provinzial-Anstalt auch HUK-Produkte (Haftpflicht-, Unfall- und Kraftfahrzeugversicherungen). Die Provinzial-Lebensversicherungsanstalt erhält 1916 die Genehmigung, das Lebensversicherungsgeschäft in Lippe aufzunehmen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erschwert allerdings den Start des neuen Lebensversicherers. Mit der Gründung der Weimarer Republik vollzieht Deutschland den schwierigen Übergang von der Monarchie des Kaiserreichs zu einer instabilen Demokratie.
Die Sozietät im Wettbewerb
Die 28 Feuer-Sozietäten in Preußen werden 1910 durch das preußische Sozietätengesetz auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestellt. Der Vertrieb „verwandter Zweige der Sachversicherung“ wird ausdrücklich gestattet – die Sozietäten werden Wettbewerbsanstalten. Die Provinzial-Feuer-Sozietät der Provinz Westfalen nimmt neben der Waldbrandversicherung auch die Einbruchdiebstahl-, die Leitungswasser-, die Glas- und die Mietverlustversicherung in ihr Leistungsangebot auf.
1722 - 1899
Neue Eigenständigkeit
Als Westfalen 1886 eine eigene Provinzialordnung über die Selbstverwaltung der Provinz erhält, schwindet auch der Einfluss der Staatsregierung in Berlin auf die Provinzial-Sozietät. Der Provinzial-Landtag setzt von nun an den Etat und die Statuten der Sozietät fest und garantiert ihr Fortbestehen durch Deckung eventueller Defizite. In den Folgejahren wächst die Provinzial-Feuer-Sozietät deutlich. Während in den 1890er Jahren noch 30 Beamte die Geschäfte abwickeln, steigt die Zahl der Beschäftigten bis 1905 auf 62.
Neuer Träger
Die Provinzial-Feuer-Sozietät der Provinz Westfalen wird umgewandelt. Sie wird ab 1. Juli 1880 eine Provinzialanstalt des Provinzialverbandes, der Vorgängerinstitution des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL). Der Landtag genehmigt zudem ein eigenes Verwaltungsgebäude an der Warendorfer Straße.
Mehr Sicherheit
Sicherheit durch sanften Zwang des Staates: Mit der Feuer-Polizei-Ordnung vom 30. November 1841 werden zahlreiche brandgefährliche Bauweisen verboten und strikte Vorschriften zum Umgang mit Feuer erlassen. Zudem werden alle Gemeinden verpflichtet, eine eigene Feuerspritze anzuschaffen. Neben erhöhter Sicherheit für die Bevölkerung bedeutet das Gesetz auch mehr Sicherheit für das Versicherungsgewerbe.
Zum 1. Januar 1837 werden sämtliche in der Provinz Westfalen bestehenden „Sozietäten gegen Feuersgefahr“ aufgelöst und zu einer einzigen Provinzial-Sozietät verschmolzen. Ihr Name: Provinzial-Feuer-Sozietät der Provinz Westfalen. Nach einer Übergangsphase bis 1840 tritt die Provinzial-Feuer-Sozietät in den Wettbewerb mit anderen privaten Versicherungsanbietern ein. Da die bestehenden Verträge der alten Sozietäten auf die Provinzial-Sozietät übergehen, kann die Provinzial-Feuer-Sozietät mit einem Wettbewerbsvorsprung ins Rennen gehen. Allerdings ist die Provinzial-Sozietät als öffentlicher Versicherer verpflichtet, alle Anträge auf Gebäudeversicherung in ihrem Geschäftsgebiet anzunehmen, während die Privatgesellschaften die für sie zu risikoreichen Anträge ablehnen können.
Westfalen bleibt preußisch
Nach der französischen Besatzungszeit unter Napoléon nimmt König Friedrich Wilhelm III. 1815 Besitz von den ihm auf dem Wiener Kongress zugesprochenen Gebieten. Die Provinz Westfalen fällt wieder an Preußen.
Zudem erhält Preußen die 1822 gegründete Rheinprovinz. An Rhein und Ruhr entfalten sich erste Industrialisierungsschübe.
Erste Feuer-Sozietäten in Westfalen
Am 1. Mai 1722 unterschreibt Friedrich Wilhelm I. von Preußen das „Reglement“ zur Gründung einer Feuer-Sozietät für die Städte „in dem Herzogthumb Cleve und Graffschafft Marck“. Dies ist der erste Schritt zum Aufbau der späteren Westfälischen Provinzial-Feuer-Sozietät.
Die ersten Brandversicherungen sollten schnelle und wirksame Hilfe leisten angesichts einer der größten Geißeln der Zeit. Gleichzeitig begann der Kampf gegen die Fahrlässigkeit im Umgang mit Feuer. Die aufgeklärten und progressiven Landesherren erhoffen sich, mit den Feuerversicherungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Region abzusichern und auf diese Weise auch das Wohlergehen der Bevölkerung zu fördern. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelang es auch in den Dörfern, Bauernschaften und Einzelgehöften die Feuerversicherung einzuführen.